Stadtgeschichte - Stationen im Industriezeitalter

Aufbruch ins Industriezeitalter

Ähnlich der Gesamtentwicklung Bayerns vollzog sich im 19. Jahrhundert der Wandel Neumarkts von einer Land- zu einer Industriestadt eher zögernd und in kleinen Schritten. Die industrielle Entwicklung Bayerns, das bislang landwirtschaftlich und kleingewerblich geprägt war, vollzog sich zunächst mit geringer Dynamik. Anfangs waren nur die Städte Augsburg und Nürnberg wegen ihrer hochentwickelten Handwerkstradition, des entwickelten Kapitalwesens und der Existenz verzweigter Handelsorganisationen regional begrenzte Bereiche einer kontinuierlichen Wirtschaftsentwicklung. 

Später trat München als Wirtschafts- und Finanzzentrum hinzu. Aber auch in kleineren Städten wie Schweinfurt, Würzburg und Hof setzte in der zweiten Jahrhunderthälfte allmählich der Industrialisierungsprozess ein. Die staatliche Industrialisierungspolitik - Anschluss an den Zollverein als Voraussetzung zur Vereinheitlichung der Handelsbedingungen im Staatsgebiet, Liberalisierung der Gewerbegesetzgebung bis hin zur Einführung der vollständigen Gewerbefreiheit - war erst dann wirksam, als der Staat seine Zurückhaltung als Bahnunternehmer aufgab. Der Aufbau der Staatsbahnen um die Jahrhundertmitte, bedeutete eine beträchtliche Ausweitung der staatlichen Wirtschaftsförderung. Trotz der verschiedensten politischen Maßnahmen und hinreichender innovativer Voraussetzungen konnte der landesweite Mangel an Energieträgern nie ganz ausgeglichen werden. So entstanden in Bayern keine geschlossenen Industriebezirke wie etwa das Ruhr- oder Saargebiet, sondern lediglich kleinere Industrieräume. In Neumarkt waren bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nur geringe Vorboten der neuen Zeit zu erkennen. Erst nach der Jahrhundertmitte änderte sich das mittelalterliche Erscheinungsbild der Stadt, indem neue Zufahrtswege geschaffen wurden. Eine unabdingbare Voraussetzung für die Industrialisierung der Stadt war die Schaffung einer modernen Infrastruktur.

Erst nach 1850 begannen auch in Neumarkt die Schornsteine zu rauchen, so wie hier bei den Express-WerkenObwohl der Ludwig-Donau-Main-Kanal mit hohem Aufwand errichtet wurde - seit 1846 war Neumarkt Hafenstadt - , wurden die in ihn gesetzten wirtschaftlichen Erwartungen nicht erfüllt. Seit dem Bau der Eisenbahnlinie Nürnberg-Regensburg und der Eröffnung der Teilstrecke nach Neumarkt im Jahre 1871 war der Kanal völlig bedeutungslos geworden. Jedoch gerade durch den Anschluss an das Eisenbahnnetz wurde es möglich, an der in Bayern bereits fortgeschrittenen Industrialisierung Anteil zu haben.

Mit dem zügigen Ausbau der Straße zum neu errichteten Bahnhof schuf die Stadt die Basis für die Ansiedlung von Betrieben. Metall- und holzverarbeitende Unternehmen ließen sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte hier nieder. So entstand das erste Industriegebiet außerhalb der Stadtmauer. Um die Jahrhundertwende wurde dann auch in der Innenstadt die Infrastruktur modernisiert und die Wasser- und Gaszufuhr sowie die Kanalisation installiert. Da sich die Stadt mit der Elektrifizierung noch fast ein Vierteljahrhundert Zeit ließ, begannen die ortsansässigen Industriebetriebe bereits mit der Planung eigener Stromerzeugungsanlagen. Der grundlegende Wandel Neumarkts von einer agrarisch geprägten Landstadt zu einer Industriestadt vollzog sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg.